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Die Lücke zu „Netto-Null“ schließen: Vorausschauender Rechtsrahmen für Negativemissionen

: November 14, 2022

Deutschland ist auf allen Ebenen zur Einhaltung von ambitionierten Klimazielen verpflichtet. Sektorübergreifende Emissionsminderungen und Effizienzsteigerung sind dafür essentiell. Jedoch werden die Maßnahmen und CCS (Carbon Capture and Storage) allein nicht ausreichen. Es wird weiterhin unvermeidbare Emissionen geben, die beispielsweise in der Landwirtschaft entstehen. Zahlreiche Berichte und Studien (IPCC, dena, Ariadne) sind sich einig: Negativemissionen müssen in jedem Szenario mitgedacht werden, um unsere Klimaziele zu erreichen und Deutschland klimaneutral zu gestalten. Die Entnahme von bereits emittierten oder sonst in der Atmosphäre vorhandenem CO2 sind die sogenannten CDR-Maßnahmen (Carbon Direct Removal), die beispielsweise unter der Nutzung der DACCS-Technologie (Direct Air Carbon Capture and Storage) erfolgen können. Ein umfassender und auch großskaliger Einsatz von CDR-Maßnahmen muss rechtzeitig technisch, ökonomisch, aber auch legislativ vorbereitet werden.  

Bellona Deutschland hat es sich in diesem Rahmen zum Ziel gesetzt, konkrete Teilaspekte dieser Strategie für negative Emissionen und für CDR auf die politische Agenda zu bringen. Denn es bedarf jetzt ein schnelles politischen Handeln, damit CDR rechtzeitig zu volkswirtschaftlich günstigen Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen, wenn der Fortgang und letztendliche Erfolg der Transformation von umfassenden negativen Emissionen abhängig sind.  

Das Gutachten von Becker Büttner Held (BBH) unterstützt diesen Prozess, indem es neben der Analyse des Status Quo des Rechtsrahmens für CDR, Eckpunkte für legislative Maßnahmen erarbeitet, die den Technologiehochlauf von CDR-Maß-nahmen konkret initiieren und eine hinreichend umfängliche und möglichst stabile Entwicklung in Gang setzen.  

Status Quo 

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass auf allen Rechtsebenen – international, europäisch, national – ein konsistenter und umfassender Rechtsrahmen zu CDR-Maßnahmen fehlt. Lediglich für natürliche Maßnahmen sind einschlägige Vorschriften vorhanden. Für die technologischen Maßnahmen BECCS und DACCS existieren sind nur einzelne Rechtsakte auf einzelne Bestandteile der Maßnahmen anwendbar. Es fehlt an Rechtsregelungen, die auf die Gesamtheit der Entnahme anwendbar sind und somit die Klimawirkung in Form des Abbaus von Treibhausgasen (THG) berücksichtigen.  

Vorschlag der Verankerung von technischen CDR-Maßnahmen im KSG 

Vorgeschlagen wird daher die Verankerung eines neuen § 3b Klimaschutzgesetz für technische CDR-Maßnahmen, der sich an die bereits bestehende Regelung in § 3a anschließt. Für BECCS wird dabei eine – hier nicht näher konkretisierte – Doppelverbuchung als ausgeschlossen angenommen. Dies ist erforderlich, da BECCS einerseits als technische CDR-Maßnahme unter den § 3b fallen würde, andererseits aber die verwendete Biomasse regelmäßig auch § 3a unterfallen dürfte. 

Das Gutachten betont die erforderliche Abgrenzung im Sinne einer firewall zwischen § 3a und § 3b. Das bedeutet: Konkrete und v.a. verbindliche Ziele zur Entnahme von CO2 mittels technischer CDR-Maßnahmen mit Mengenangaben in Mio. Tonnen CO2-Äquivalent sollten geregelt sein – ohne eine Möglichkeit zur Verrechnung o.ä. Nach der Systematik des KSG ist das zuständige Ministerium (der Sache nach liegt das BMWK nahe) in der Verantwortung für die Zielerreichung, auch eine Sanktion bei Verfehlen sollte enthalten sein. Für den Fall, dass nach Erlass der angekündigten Rechtsakte auf Ebene der EU Regelungslücken bestehen, etwa im Bereich Monitoring/Zertifizierung, sollte auch eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen bestehen.  

Anwendungshochlauf und Förderregime 

Der Anwendungshochlauf muss durch die Schaffung von Anreizen gewährleistet werden. Dafür sind neben Zertifizierungssystemen auch faktische Speicherkapazitäten erforderlich.  

Zunächst könnte die Förderung über z.T. bereits bestehende Forschungs- und Innovationsprogramme erfolgen. Da aber die Kosten – nicht zuletzt aufgrund der Energieintensivität der Prozesse und der fehlenden Verfügbarkeit sehr günstigen grünen Stroms zum Betrieb der CDR-Anlagen – absehbar hoch bleiben werden, wird weitere Förderung erforderlich werden. Hier könnte sich, ggf. nach ersten direkten Investitionsförderungen auf Basis von Förderrichtlinien, eine Förderung über einen Ausschreibungsmechanismus anbieten („reverse auction mechanism“), über den Projekte sich im Wettbewerb mit anderen Projekten über möglichst günstige Kosten für die CDR-Maßnahme für eine Förderung je aus der Atmosphäre entnommener Tonne CO2 qualifizieren müssen.  

 

Lesen Sie hier das gesamte Gutachten.

Hier finden Sie die Präsentation zum Gutachten.

 

Publiziert von BBH und Bellona Deutschland.