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COP28: Beginn des Endes der Ära der fossilen Brennstoffe, mit vielen Vorbehalten  

: Dezember 14, 2023

: Amrei Milch

Die Staats- und Regierungschefs der Welt haben nun immerhin den Beginn des Endes der fossilen Brennstoffe ausgerufen, wobei der erwartete Ausstieg („phase-out“) nicht beschlossen wurde. Bellona erkennt die Bedeutung dieses Abkommens an, bedauert aber, dass sich die Vertragsparteien nicht auf das Ende der Ära der fossilen Brennstoffe festgelegt haben und, dass zahlreiche Schlupflöcher bleiben.  

Die COP28 ist die erste UN-Weltklimakonferenz, die eine längst überfällige Verpflichtung zur Reduzierung fossiler Brennstoffe beschließt  

Die Weltgemeinschaft hat sich darauf geeinigt, die Abkehr von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise zu vollziehen und die Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt zu beschleunigen, um bis 2050 Netto-Null Emissionen zu erreichen. Entscheidend ist, dass dies für alle fossilen Brennstoffe gilt, und zwar kurzfristig und ohne den vagen Begriff „unabated“ (ungemindert).   

„Auch wenn der endgültige Text die Verpflichtung der Vertragsparteien bekräftigt, im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu handeln, ist das COP-Ergebnis keineswegs im Einklang mit dem vor acht Jahren vereinbarten 1,5-Grad-Ziel. Die Vereinbarung ist zwar ein Schritt nach vorn, aber kein Grund zum Feiern, sondern ein Aufruf zu weiterem Handeln“, erläutert Mark Preston Aragonès, Senior Policy Manager bei Bellona Europa und Bellonas COP28-Negotations Lead.  

Bellona erkennt an, dass COP-Vereinbarungen einen globalen Konsens erfordern und in der Regel den kleinsten gemeinsamen Nenner widerspiegeln. Die Entscheidung sollte daher als das absolut erforderliche Minimum der Klimamaßnahmen verstanden werden. Bellona fordert die EU und Norwegen auf, die Messlatte deutlich höher anzusetzen und ambitioniertere Nationally Determined Contributions (NDCs) bis zur COP30 im Jahr 2025 vorzulegen. 

Signal zur Verdreifachung der erneuerbaren Energien, Verdoppelung der Effizienz und Emissionsreduktion im Straßenverkehr   

Bellona begrüßt die Zielsetzung zur Verdreifachung der weltweiten Kapazität an erneuerbaren Energien und zur Verdoppelung der jährlichen Rate der Energieeffizienzverbesserungen in diesem Jahrzehnt sowie zur Beschleunigung der Emissionsreduktion im Straßenverkehr. Dieses sehr positive Signal unterstreicht in Verbindung mit der Einigung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen die Forderung nach einem auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystem. Aber auch hier sind Klarheit und Sicherheitsvorkehrungen erforderlich:  

«Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Verpflichtung vor überambitionierten Produktionszielen für grünen Wasserstoff zu schützen. Diese bergen das Risiko, wertvollen erneuerbaren Strom von hocheffizienten direkten Anwendungen zu hochgradig ineffizienten wasserstoffbasierten Lösungen umzuleiten»

Luisa Keßler

Referentin Nachhaltige Wasserstoffwirtschaft

Viele Vorbehalte bleiben bestehen:  

Schwerpunkt auf „Net-Zero“-Energiesystemen  

In der Vereinbarung wird ein Übergang zu „Netto-Null-Emissions-Energiesystemen“ gefordert. Net-Zero schleicht sich als gefährliches Schlupfloch ein. Bellona mahnt zur Vorsicht, denn dieser Begriff wird oft verwendet, die Möglichkeit des Ausgleichs von Treibhausgasemissionen an Punktquellen über natürliche Senken oder CO2-Entnahmen (CDR) aufzumachen. CDR wird eine knappe Ressource bleiben, um die verbleibenden Emissionen, z.B. aus der Landwirtschaft, auszugleichen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass entsprechende Senken ausreichen werden, um zusätzlich die Nutzung fossiler Brennstoffe in Energiesystemen auszugleichen.   

Fossile Brennstoffe verursachen über den Energiesektor hinaus beträchtliche Emissionen, z.B. bei der stofflichen Nutzung in der Stahl- oder Düngemittelnproduktion. Diese Sektoren fallen nicht in den Geltungsbereich des Abkommens. Tatsächlich wird die Verwendung fossiler Brennstoffe außerhalb der Energiesysteme in den kommenden Jahren voraussichtlich aber zunehmen. 

Erdgas als Übergangskraftstoff und die Rolle „kohlenstoffarmer Kraftstoffe“  

Die Anspielung auf die Rolle von Erdgas als Übergangslösung, die auf Drängen Russlands und anderer Länder aufgenommen wurde, verwässert die Verpflichtung zur Abkehr von allen fossilen Brennstoffen in diesem Jahrzehnt. Es ist nicht hinnehmbar, dass Erdgas einen Freifahrtschein erhält, obwohl es nach wie vor eine der Hauptquellen für Treibhausgasemissionen ist.  

Auch in Deutschland wird Erdgas als Brücke gesehen, obwohl die erzielte Emissionsreduktion gegenüber Kohle bloß die enorme Klimaschädlichkeit letzterer verdeutlicht, keinesfalls aber Erdgas zu einer emissionsarmen Lösung macht. Vor allem in der Stahlindustrie besteht aktuell die Gefahr, durch die Umstellung auf erdgasbetriebene Direkreduktionsanlagen einen fossilen Lock-In zu begünstigen. 

Ein weiteres Risiko besteht darin, auf so genannte „kohlenstoffarme“ Brennstoffe zu setzen – ein Begriff, der häufig für kohlenstoffbasierte und äußerst stromintensive synthetische Brennstoffe missbraucht wird, die äußerst ineffizient sind. Damit kohlenstoffhaltige Kraftstoffe mit dem Netto-Null-Ziel vereinbar sind, muss das CO2 zudem aus der Atmosphäre stammen, was die Energieintensität und damit die Ineffizienz noch verstärkt.  

CCS darf kein Feigenblatt für ein fossiles „Weiter-so“ sein   

Die Erwähnung von CCS als besonders relevant für Sektoren mit „schwer vermeidbaren Emissionen“ ist eine willkommene Klarstellung. CCS ist ein notwendiges Instrument für die Dekarbonisierung von Industriesektoren wie der Zementindustrie und kann womöglich im globalen Kontext in Ausnahmefällen auch im Energiesektor eine begrenzte Rolle spielen. Dennoch dürfen wir unter keinen Umständen zulassen, dass CCS zu einem Feigenblatt oder einem „Weiter so“-Narrativ für die fossile Industrie wird, um die fortgesetzte Nutzung fossiler Brennstoffe aufrechtzuerhalten. Dies ist vor allem im Energiesektor relevant, der auf erneuerbare Energien umsteigen kann, muss aber auch für die Abkehr von fossilen Brenn- und Rohstoffen in der Industrie gelten, wo immer und so schnell wie möglich.  

Umweltverbände haben sehr berechtigte Bedenken geäußert, dass CCS als Rechtfertigung benutzt wird, um den allgemeinen und raschen Rückgang der Produktion und Nutzung fossiler Brennstoffe zu verhindern, was selbstverständlich absolut inakzeptabel wäre. Hier liegt es an der nationalen Gesetzgebung, wie in Deutschland auf Basis der Carbon Management-Strategie, einen Lock-In zu verhindern und CCS stattdessen dort fokussiert einzusetzen, wo es für das Erreichen der Klimaziele und einer erfolgreichen Industrietransformation notwendig ist. 

Verpasste Gelegenheit, den Begriff „abated“ zu definieren   

Bellona kritisiert die fehlende Definition des Begriffs „abated“ (gemindert) im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen. Im Abschlusstext fällt der Begriff konkret im Kontext eines schrittweisen Ausstiegs aus der „unabated“ (ungeminderten) Kohleverstromung. Die EU hat sich selbst auch für einen Ausstieg aus ungeminderten fossilen Brennstoffen ausgesprochen. Nun sollte sie zumindest sicherstellen, dieses Ziel auch auf nationaler Ebene umgesetzt wird. Darüber hinaus muss die Union klarstellen, was sie als „abated“ (gemindert) definiert und in eigenen Regulierungen sowie auf internationaler Bühne auf eine wissenschaftlich fundierte Definition drängen. Nur so können klaren Emissionsgrenzwerten festgelegt werden. 

Das Resultat der Verhandlungen ist auch eine verpasste Gelegenheit, die Schrauben in der gesamten Branche der fossilen Brennstoffe noch fester anzuziehen. Eine klare und wissenschaftlich fundierte Definition von „abated“ in Verbindung mit einem Ausstieg aus den ungeminderten fossilen Brennstoffen hätte die Produktion und Nutzung von Kohle und Öl effektiv beenden können, indem der Einsatz mit solchen Einschränkungen in der Praxis unmöglich wird – wie es z.B. die CCS-Verpflichtung im Kohlesektor in Großbritannien vor 14 Jahren geschafft hat. Künftigen COPs muss diese Einigung gelingen.  

Die EU und andere große Volkswirtschaften müssen verstärkt einen offenen Dialog mit dem Rest der Welt führen 

Wie bei jeder COP spielten die Themen Klimagerechtigkeit, Ungleichheit und Fairness eine wichtige Rolle. Dabei zeigte sich ein bemerkenswerter philosophischer Unterschied in der Debatte über die Just Transition. Industrieländer fokussieren sich dabei auf die Erhaltung von Industriestandorten und Arbeitsplätzen, während die Entwicklungsländer einen ganzheitlicheren und internationalen Ansatz verfolgen, der nachhaltige Entwicklung, Armutsbekämpfung und Klimafinanzierung in den Mittelpunkt stellt.   

Darüber hinaus wurden Maßnahmen wie der Kohlendioxidgrenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) der EU und der Inflation Reduction Act (IRA) der USA heftig kritisiert, weil sie einseitig gestaltet seien und sich negativ auf den Welthandel auswirken könnten. Die EU muss diesen Bedenken Rechnung tragen: Es ist notwendig, mit Hilfe der Instrumente ehrgeizigere Klimaziele und eine stärkere internationale Integration zu fördern, insbesondere im Hinblick auf Systeme zur CO2-Bepreisung und CO2-Grenzausgleichssysteme. 

«Um uns eine Chance auf die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu bewahren und bis 2050 CO2-Neutralität zu erreichen, müssen alle Nationen ihren maximalen Beitrag leisten. Die Industrieländer stehen hier in der Verantwortung, die Führung zu übernehmen, um noch vor der Jahrhundertmitte ein möglichst vollständig fossilfreies Energiesystem zu erreichen, das den Entwicklungsländern Zeit für die Transformation verschafft»

Amrei Milch

Public Affairs & Communications Specialist

Was muss jetzt passieren? Zwei Vorgehen sind von größter Bedeutung   

In den kommenden Monaten und Jahren müssen die Lücken geschlossen werden, um das Zeitalter der fossilen Brennstoffe endlich zu beenden. Es ist überdeutlich, dass ein rascher Rückgang der fossilen Brennstoffe notwendig ist, um den globalen Temperaturanstieg auf ein erträgliches Maß zu begrenzen.   

Während der Verhandlungen hat Bellona Formulierungen für den Text zum Global Stocktake vorgeschlagen, der vorgesehen hätte, die Nutzung fossiler Brennstoffe in diesem Jahrzehnt massiv zu reduzieren und bis 2050 aus den fossilen Brennstoffen auszusteigen sowie schnelle Emissionssenkungen und einen möglichen Ausstieg aus allen fossilen Emissionen aus dem Energiesektor bis 2035 forderte.   

„Zwei Punkte sind für die kommenden Weltklimakonferenzen von entscheidender Bedeutung: Wir brauchen eine klare Formulierung für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen bis 2050 im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel. Gleichzeitig müssen wir aber kurz- bis mittelfristig und noch vor Ende dieses Jahrzehnts tiefgreifende und schnelle Emissionssenkungen erreichen. Sonst wird es sehr schwer sein, die Klimakrise zu lösen“, Hallstein Havåg, CEO der Bellona Foundation. 

Die fossile Industrie spielt hier eine entscheidende Rolle, sträubt sich aber mit aller Kraft dagegen, ihren Teil der Aufgabe zu erfüllen. Der enorme Druck, der beispielsweise. durch die große Anzahl von Lobbyisten und den OPEC-Brief mit dem Aufruf zum Kampf gegen den „Phase-out” ausgeübt wurde, zeigt das Aufbäumen gegen die Transformation. Die Klimabewegung muss darauf mit einer Entkräftung der Verhinderer-Narrative kontern. Bellona wird diese Rolle weiterhin übernehmen und sich für wissenschaftlich fundierte Positionen, Definitionen und Lösungen einsetzen.   

Alles in allem sendet die COP28 das Signal der Abkehr von fossilen Brennstoffen, auch wenn vage Formulierungen der fossilen Industrie viel Spielraum geben, um Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern. Hier bietet sich die Chance für Deutschland und die EU, über beschlossene Ziele hinauszugehen, und der Öl- und Gasindustrie stärkere Verpflichtungen aufzuerlegen, z.B. über die schon existierenden Ansätze im Net-Zero Industry Act (NZIA). In vielen Themenbereichen konnte die verhandelnden Staaten sich nicht einigen, wie z.B. über Artikel 6.  

Der finale Text enthält zu wenig Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel, worunter die gefährdetsten Länder am meisten leiden werden. Bellona wird weiterhin mit Ländern, Wissenschaftler:innen, Gewerkschaften, NGOs und wegbereitenden Industrievertreter:innen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Finanzierung, transformative Technologieumsetzung und Regulierung aufeinander abgestimmt und zielorientiert zu einer schnellen und umfassenden Emissionsreduzierung noch in diesem Jahrzehnt führen.