Wasserstoff-Importstrategie: Strategische Fokussierung fehlt in einigen Punkten
: Juli 25, 2024
: Luisa Keßler, Amrei Milch
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Wasserstoff-Importstrategie: Strategische Fokussierung fehlt in einigen Punkten
Gestern hat das Bundeskabinett die langerwartete Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate beschlossen, die nun die Nationale Wasserstoffstrategie ergänzt. Dem übergeordneten Ziel, potenziellen wasserstoffexportierenden Ländern und Unternehmen Sicherheit, Investitionsbereitschaft und Klarheit hinsichtlich der benötigten Importmengen an Wasserstoff und Wasserstoffderivaten sowie der einzuhaltenden Nachhaltigkeitskriterien zu signalisieren, wird sie in einigen Punkten nicht gerecht, da eine strategische Signalwirkung schwer herauszulesen ist.
Die Strategie liefert einen detaillierten Überblick über Transportoptionen und Regularien, die deutsche Förderlandschaft, Anreize zum Infrastrukturaufbau sowie bestehende und angestrebte Importpartnerschaften und -korridore. Besonders positiv bewerten wir unter anderem, dass die Skizzierung der abnehmerseitigen Förderlandschaft Vertrauen in die tatsächliche Kaufbereitschaft deutscher Unternehmen schaffen dürfte. Was jedoch zu kurz kommt, ist eine klare Vision der Bundesregierung, wie sie sich die zukünftige Wasserstoffimportlandschaft konkret vorstellt. Entscheidend ist, dass der Aufbau einer (internationalen) Wasserstoffwirtschaft kein Selbstzweck sein darf, sondern sich eng an den tatsächlichen Erfordernissen für eine erfolgreiche Energiewende orientieren muss.
Konkret fehlen uns ausreichende Differenzierung und klare Bekenntnisse, vor allem in folgenden drei Punkten:
Die Rolle kohlenstoffarmen Wasserstoffs konkretisieren
Wir begrüßen das Ziel der Bundesregierung, perspektivisch ausschließlich erneuerbaren Wasserstoff und seine Derivate, kurz- und mittelfristig aber auch kohlenstoffarmen Wasserstoff zur Bedarfsdeckung zu importieren. Dieser aus unserer Sicht notwendige Kompromiss darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass kohlenstoffarmer Wasserstoff, auch wenn er wie zwingend notwendig unter strengen Anforderungen an die Treibhausgasminderung entlang der gesamten Wertschöpfungskette hergestellt wird, nur eine „second-best“-Option für den Übergang darstellen sollte.
Entsprechend vermissen wir eine eindeutige Einordnung von kohlenstoffarmem Wasserstoff als Übergangslösung, die durch die Skizzierung eines Ausstiegsszenarios aus fossil-basierten Energieträgern untermauert wird.Eine deutsche Importstrategie sollte ein klares Signal an potenzielle Exportländer senden, dass Deutschland perspektivisch ausschließlich regenerativen Wasserstoff beziehen will und entsprechende Partnerschaften zukünftig sinnvollerweise auch die Produktion und den Transport von kostengünstigem regenerativem Wasserstoff ermöglichen müssten. Darüber hinaus bleibt ein klarer Ausschluss des Imports von kohlenstoffhaltigen Wasserstoffderivaten auf Basis von blauem Wasserstoff bedauerlicherweise aus.
Strategische Überlegungen zur direkten Nutzung und Bewertung des Klimanutzens einzelner Derivate notwendig
Grundsätzlich positiv zu bewerten ist, dass die Bundesregierung vorrangig Pipeline-Importkorridore für molekularen Wasserstoff aus Europa und benachbarten Drittstaaten in den Fokus rückt. Darüber hinaus sieht die Strategie jedoch auch vor, Wasserstoff in Form von Derivaten im großen Maßstab per Schiff nach Deutschland zu transportieren und dafür in den Häfen großflächig Infrastruktur zur Rückumwandlung in molekularen Wasserstoff zu errichten. Ein solches Vorgehen halten wir aus Kosten- und Energieeffizienzgründen für wenig zielführend. Die Importstrategie sollte den spezifischen Bedarf an Wasserstoffderivaten, wie z. B. Ammoniak, berücksichtigen und im Sinne einer Maximierung der Round-Trip-Effizienz deren Binnentransport zu großen Nachfrageclustern ermöglichen, anstatt diese pauschal in Häfen zu Wasserstoff zu cracken. Erklärtes Ziel sollte es sein, die benötigten Mengen an molekularem Wasserstoff möglichst vollständig durch Pipeline-Importe zu decken. Wir plädieren dafür, die strategischen Fragen des Imports von molekularem Wasserstoff und des Imports von Derivaten getrennt zu betrachten.
Dabei wird erneut deutlich, dass es in Deutschland noch an einer koordinierten und durchdachten industriepolitischen Strategie fehlt, die beispielsweise den spezifischen tatsächlichen Bedarf an Wasserstoffderivaten und die Verlagerung von Produktionsschritten wasserstoffbasierter Produkte ins Ausland berücksichtigt.
Außerdem suggeriert die vorliegende Importstrategie eine nahezu gleichwertige Offenheit Deutschlands für den Import verschiedener Wasserstoffderivate. Eine tatsächliche Kreislaufführung kohlenstoffhaltiger Derivate, wie z.B. bei synthetischem Methan, ist jedoch ein hoch komplexer Prozess, bei dem der Klimanutzen fragwürdig und die Transformativität nicht gegeben ist. Daher vermissen wir eine klare Positionierung, nach welchen Kriterien verschiedene Derivate in Bezug auf einen hohen Klimanutzen, Effizienz und Wirtschaftlichkeit bewertet werden können und welche Derivate sich dadurch prioritär oder gar ausschließlich für den Import qualifizieren. Wir befürchten, dass die Importstrategie diesbezüglich falsche Signale an Exporteure senden dürfte.
Ganzheitlicher Ansatz für nachhaltige Entwicklung in Bezug auf internationale Wasserstoffpartnerschaften
Die Strategie erkennt richtigerweise an, dass ein ganzheitlicher Ansatz für nachhaltige Entwicklung über die reine Reduktion von Treibhausgasemissionen hinausgeht. Insgesamt bleibt die Importstrategie jedoch zu vage im Hinblick auf entwicklungspolitische Fragen und konkrete Maßnahmen, die den Nutzen von Wasserstoffpartnerschaften nicht nur für Deutschland oder Europa, sondern auch für die Exportländer sicherstellen, insbesondere im Globalen Süden. Eine Importstrategie sollte deutlich machen, welche transparenten Standards Deutschland konkret an Wasserstoffimporte anlegt. Dazu gehört auch eine industriepolitische Vision, wie mit dem Spannungsfeld zwischen Produktionsverlagerung von Wasserstofffolgeprodukten ins Ausland und dem Bestreben, möglichst viel Wertschöpfung im eigenen Land zu halten, umgegangen werden soll.
Zu einer nachhaltigen, umfassenden und gerechten Transformation gehören aus unserer Sicht Quoten für den Ausbau zusätzlicher erneuerbarer Energien, die in die Dekarbonisierung lokaler Stromnetze fließen, die Förderung lokaler Wertschöpfung durch die Herstellung wasserstoffbasierter Produkte, nachhaltiges Ressourcenmanagement sowie partizipative Ansätze zur Vermeidung von Ressourcenkonflikten. Wir fordern, dass die Bundesregierung ihrem Anspruch auf eine internationale Vorreiterrolle bei der Definition und Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Good Governance-Standards gerecht wird. Dies sollte idealerweise in Koordination mit anderen absehbar auf Wasserstoffimporte angewiesene Länder erfolgen, damit wir hier zu allgemein angewandten hohen Standards kommen. Neben europäischen Partnern sind dies voraussichtlich vor allem Japan und Südkorea.
Die Importstrategie bleibt insgesamt noch sehr deskriptiv und schafft an einigen Stellen zu wenig Klarheit darüber, was Deutschland nun wann und in grob welchen Mengen und unter welchen Bedingungen importieren möchte. Eine konkrete strategische Signalwirkung lässt sich aus dem Dokument nur schwer herauslesen.
Unsere zuvor veröffentlichten Anforderungen an die Importstrategie finden Sie hier.