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CCS vs Transformation – Steht CCS der Transformation zu einer klimaneutralen Industrie im Weg?

Carbon Capture and Storage (CCS) ist in der klima- und industriepolitischen Diskussion angekommen. Gleichzeitig existieren noch immer umfassende Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von CCS als Baustein der Industrietransformation. Häufig beziehen sich diese kritischen Argumente auf potenzielle anti-transformative Effekte der Integration von CCS in die Klimapolitik. Diese reichen von Kritik an Diskursverschiebungen – weg von Vermeidungsansätzen zu vermeintlich halbgaren Reduktionsmaßnahmen – bis zu Zweifeln an der Finanzierbarkeit der angestrebten Geschäftsmodelle. In unserem Papier rekonstruieren wir die wichtigsten Thesen dieses Diskurses, zeigen Widersprüche bzw. Dilemmata auf und geben erste Antworten auf die Herausforderungen eines am Klimaschutz orientierten Hochlaufs von CCS.

Übersicht zu den rekonstruierten Thesen:

  1. Die neue Aufmerksamkeit für CCS lenkt von klimapolitisch wichtigeren Vermeidungsansätzen ab.
  2. CCS wird nicht benötigt, weil innovative Technologien absehbar auch bisher unvermeidbare Prozessemissionen vermeiden können. Eine Anwendung von CCS verringert die Chance, dass diese Innovationen Marktreife erlangen.
  3. Wir wissen gar nicht wirklich, ob wir CCS insgesamt benötigen, denn die IPCC-Szenarien weisen eine hohe Unsicherheit auf.
  4. CCS weist keine Evidenz für technologisches Lernen auf und ist daher keine effiziente Dekarbonisierungsoption.
  5. CCS ist zu teuer, weshalb es für die Technologie auf absehbare Zeit keinen Business Case gibt.
  6. Bevor wir wissen können, wieviel CCS wir tatsächlich benötigen, müssen erst alle anderen Maßnahmen ausgeführt werden.
  7. CCS ist zu ineffizient bzw. energieaufwändig. Die knappe erneuerbare Energie ist im Kontext der Industrietransformation anderweitig besser nutzbar.
  8. CCS ist eine Übergangstechnologie. Stattdessen sollte CCU bzw. die Kohlenstoffkreislaufwirtschaft als Zielpunkt der Industrietransformation in den Mittelpunkt der Debatte rücken.
  9. Der CCS-Diskurs hat eine Türöffner-Funktion, welche alternative Ansätze zusehends unterminiert.
  10. CCS ist ein Lieblingsprojekt der Öl- und Gasindustrie, die mithilfe einer Form von Ablasshandel ihr Geschäftsmodell zu verlängern versucht.
  11. Ein Misserfolg des Hochlaufs von CCS führt in eine transformationspolitische Sackgasse.
  12. Die Konzeptdebatte um CCS vergeudet wertvolle Zeit und setzt einen falschen Fokus auf CO2 als alleiniges Symbol der aktuellen Umweltkrise.

Wir zeigen Wege auf, wie die Technologie ihren Klimanutzen bestmöglich entfalten kann:

  • Der Schwerpunkt des Einsatzes von CCS sollte bei Industrien mit anderweitig unvermeidbaren (Prozess-)Emissionen und ggf. wenigen weiteren Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen liegen. Der Ausbau erneuerbarer Energien muss oberste Priorität haben. Die Zeit läuft uns jedoch davon, weswegen auf alle verfügbaren und skalierbaren Klimalösungen zurückgegriffen werden muss.
  • Die meisten Einwände zur Rolle von CCS im Gesamtkomplex der Industrietransformation zur Klimaneutralität können durch eine zielgerichtete Regulation und Fördermittelpolitik gut adressiert werden. Die Carbon Management-Strategie muss durch eine konsequente Ausrichtung am Klimanutzen der Technologie und die Berücksichtigung systemischer Zusammenhänge die richtigen Weichen stellen.
  • CCS ist daher kein unzumutbares transformationspolitisches Wagnis: Die zugrunde liegende Technologie ist technisch vielfach erprobt – funktionale regulatorische und finanzielle Modelle existieren in Europa bereits. Deutschland ist nicht allein und muss das Problem auch nicht allein lösen.

Das Papier ist ein Angebot zur Diskussion. Mit dem Start des legislativen Prozesses zum KSpTG ist jetzt der Zeitpunkt, konstruktiv die Rahmenbedingungen für Carbon Management in Deutschland mitzugestalten. Klimapolitik braucht diese Mitwirkung – auch und gerade dort, wo Zielkonflikte und Unsicherheiten bestehen. Einige dieser Baustellen skizziert das Papier.

Sie haben Kommentare, Kritik oder Ergänzungen? Melden Sie sich gerne bei unserem Referenten für Industrielles Carbon Management, Fabian Liss.

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Fabian Liss

Referent Industrielles Carbon Management