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Aufruf zur Erarbeitung einer Strategie für regionale CO2-Infrastruktur in den Niederlanden, Belgien und Nordrhein-Westfalen

: Februar 14, 2022

In einem offenen Brief rufen unter anderem Bellona Deutschland, HeidelbergCement, General Electric, der Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie und der Verein Deutscher Zementwerke die niederländische, belgische und deutsche Regierung auf, besser und stärker zusammenzuarbeiten, um die Schwerindustrie klimafreundlicher zu gestalten.

14 Februar 2022

Die Klimakrise ist eine der wichtigsten und dringendsten Herausforderungen unserer Generation. Der IPCC Sonderreport zur Erderwärmung um 1.5°C zeigt klar und deutlich, dass die nächsten 10 Jahre für die Reduktion der Treibhausgasemissionen von größter Bedeutung sind. Neben anderen Sektoren stößt vor allem die Schwerindustrie an Schwierigkeiten in der Anpassung an europäische Klimaziele, was sofortiges Handeln zur Notwendigkeit macht. Der European Green Deal sieht bei den Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 eine Senkung um 55% und bis 2050 eine Senkung auf netto Null vor. 18% dieser Emissionen stammen aus den Grundstoffindustrien, z.B. aus der Produktion von Stahl, Eisen-Legierungen, Zement, Kalk, Aluminium und Basischemikalien (Ammoniak, Methanol, Ethylen und Propylen).

Ein bedeutender Teil der europäischen Grundstoffproduktion findet in Industriegebieten Nordwesteuropas statt. Die Region Antwerpen – Rotterdam – Rhein – Ruhr (engl. ARRRA, Antwerp -Rotterdam – Rhine – Ruhr Area) produziert 40% aller europäischen Chemikalien. Stahl- und Zementproduzenten sind ebenfalls in dieser Region angesiedelt. Durch die gegenseitige Abhängigkeit der in diesem Gebiet tätigen Betriebe entstehen gemeinsame Bedürfnisse sowie gemeinsame Herausforderungen in der Emissionsreduzierung. Um auf den Klimawandel zu reagieren, ihre gesellschaftliche Rolle zu erfüllen und zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen des ARRRA das Netto-Null-Ziel und die Vorgaben zur Kreislaufwirtschaft des European Green Deal befolgen. Durch die hohe Vernetzung der Industriegebiete der Region braucht es eine erneuerte gemeinsame Strategie für alle Sektoren, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 (oder bis 2045, wie es die deutsche Bundesregierung vorsieht) zu erreichen. Die in großen Teilen grenzüberüberschreitend arbeitende Industrie, erwartet ein ebenso grenzübergreifendes Vorgehen der Regierungen zur Emissionsreduzierung.

Dieses Schreiben, welches von einer Vielzahl von Akteuren aus der Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft unterschrieben wurde, ruft die Regierungen der Niederlande, Belgiens, Flanderns, Walloniens, Deutschlands und Nordrhein-Westfalens auf, ihre Zusammenarbeit zur Transformation der Industrie zu beschleunigen und zu vertiefen. Wir fordern eine gemeinsame Vision und Strategie für den Aufbau einer CO2-Transport- und CO2-Speicherungsinfrastruktur, um die Dekarbonisierung der Industrie und die strukturelle Emissionsreduzierung zu beschleunigen.

Neben dem Ausbau von Stromnetzen und Wasserstoffleitungen ist CO2-Transport- und CO2-Speicherungsinfrastruktur ein zentraler Teil einer Infrastruktur für Klimaneutralität. In der Umsetzung grenzüberschreitender Infrastruktur, die eine starke Emissionsreduzierung ermöglicht, müssen Regierungen die Führung übernehmen. Genauso wie die Gesellschaft auf die Industrie zählt zu dekarbonisieren, verlassen sich Unternehmen darauf, dass der Staat rechtzeitig die Verfügbarkeit der dafür notwendigen Infrastruktur sicherstellt. Es handelt sich sowohl um eine infrastrukturelle als auch um eine klimapolitische Herausforderung – ein privates und gesellschaftliches Anliegen zugleich. Gemeinsamer Aufruf zur Erarbeitung einer Strategie für regionale CO2-Infrastruktur in den Niederlanden, Belgien und Nordrhein-Westfalen

Während dieser Aufruf den Fokus auf die Abscheidung und Speicherung von CO2 als Teil der Lösung legt, sehen die Unterzeichner die Transformation zur Klimaneutralität als umfassende Aufgabe an, zu deren Lösung die Unternehmen ein Portfolio an Technologien einsetzen müssen. Maßnahmen zur Vermeidung von CO2 in Produktionsprozessen, wie z.B. Energieeffizienz, Elektrifizierung mit erneuerbarem Strom und Kreislaufwirtschaft, müssen priorisiert werden. Gleichzeitig betrachten die Unterzeichner die Entwicklung von Abscheidung und Nutzung von CO2 (CCU) für langlebige (reparierbare, wiederverwendbare) und recyclebare Produkte und von Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS) als zusätzlich notwendige Lösungen für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 und 2050. Eine Strategie zur industriellen Transformation erfordert Anstrengungen auf allen genannten Gebieten, verbunden mit einer Finanzstrategie und Plänen, um die benötigte Infrastruktur aufzubauen.

Wir fordern:

1. Formen eines Arbeitskreises zur grenzüberüberschreitenden CO2-Transport -und Speicherungsinfrastruktur: Dieser Arbeitskreis sollte den Informationsaustausch und gemeinsame Strategieentwicklung aller relevanten Instanzen ermöglichen, für die Entwicklung der grenzüberschreitenden Infrastruktur zur CO2-Minimierung eine gemeinsame Vision ausarbeiten sowie Politik-Instrumente, Regelwerke und unter Beteiligung der relevanten Stakeholder aus Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft die Genehmigungsverfahren harmonisieren. Dabei muss der allgemeine Zugang zur Infrastruktur sichergestellt und Monopolbildung verhindert werden. Die Infrastruktur muss zukunftssicher und multimodal sein, sowie einer Vielzahl von Anwendungen zur Verfügung stehen, sodass sie auch für CO2-Entfernung zum Erreichen negativer Emissionen genutzt werden kann.

2. Übernehmen einer führenden Rolle beim Definieren der Rahmenbedingungen für CCS: Erfassung des kurz-, mittel- und langfristigen CCS-Bedarfs im integrierten Industriegebiet ARRRA, einschließlich einer Risikoeinschätzung für stranded assets und lock-ins.

3. Entwicklung eines gemeinsamen Rechtsrahmens: Das Londoner Protokoll muss ratifiziert und internationale Abkommen zwischen den Regierungen der Niederlande, Belgiens und Deutschlands zum CO2-Transport über Grenzen hinweg nach den Richtlinien des Protokolls verhandelt werden. Transparente, robuste und effektive Regelungen zur Übergabe der Verantwortung am Lekagenrisiko beim CO2-Transport sowie bei Langzeitspeichern sind einheitlich zu entwickeln. Diese sollten in Koalitionsverträge und nationale Klimapläne unter Berücksichtigung bestehender nationaler Regulierung und CCS-Voraussetzungen einfließen.

4. Entwicklung des notwendigen Förderrahmens: Lokale, nationale und EU-Förderung muss in einem gemeinsamen Fördermechanismus zielführend gebündelt werden, um eine optimale Mobilisierung öffentlicher und privater Mittel für den Aufbau einer CO2-Infrastruktur zu gewährleisten. Dieser Fördermechanismus muss klare Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Förderung, eine Obergrenze für die Gesamtsumme an Subventionen und ein Auslaufdatum beinhalten. Ein Mapping unterschiedlicher Lösungen für Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2 und ihrer jeweiligen Kosten muss erstellt werden, um das langzeitige Einplanen von CCS als Brückentechnologie zur Emissionsminderung für Unternehmen zu erleichtern. Der Anspruch einzelner Sektoren auf finanzielle Unterstützung muss anhand folgender Kriterien beurteilt werden:
a) Direkte Emissionsreduzierung ist CCS vorzuziehen. CCS sollte die Entwicklung und Anwendung anderer Formen der Reduzierung, einschließlich Elektrifizierung, nicht behindern. Finanzierung für CCS sollte den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger nicht bremsen.
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b) Die Anwendung von CCS muss Teil einer Langfriststrategie des Unternehmens zur Senkung des CO2-Ausstosses sein
c) Die Verwendung von CCS im Industriesektor muss priorisiert werden.

5. Anerkennung der Notwendigkeit einer standardisierten multimodalen CO2-Transport- und Speicherungsinfrastruktur für eine Vielfalt der Anwendungen: Es muss sowohl neue Infrastruktur errichtet als auch, wo zweckmäßig, vorhandene on-shore und off-shore Infrastruktur umgewidmet werden. Es müssen sowohl Pipelines, als auch Schiffs-, Zug- und Lkw-Transport entwickelt werden, um die unterschiedlichen Vorteile dieser Transportarten gezielt nutzen zu können. Die Infrastruktur muss über Zeit für unterschiedliche Anwendungen zur Verfügung stehen können.

6. Sicherstellen, dass die Infrastruktur zu anderen Industriegebieten im Inland erweitert werden kann (zum Beispiel in Deutschland und nach Frankreich)

 

BELLONA EUROPA Joint Call For Action – GERMAN

 

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